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Entwicklung der Zeche Zollverein im Bereich des heutigen Welterbe

Aufbau der Schachtanlagen



Gehen wir zurück ins Jahr 1847. Um die zu diesem Zeitpunkt noch aktuellen 14 Mutungen freilegen zu können, wird Franz Haniel den ersten Schacht auf dem konsolidierten Feld „Zollverein“ abteufen. Dazu kauft er zwei Grundstücke von den Bauern Bullmann und Storp aus dem benachbarten Katernberg. Hier will er seine Schachtanlage bauen. Der Straßenname „Bullmannsaue“, der direkt an der alten Verwaltung vorbei in die spätere Schachtanlage 1/2/8 führt, zeugt noch von diesen vergangenen Tagen. Nur 300m in nördlicher Richtung entfernt, liegt die Köln-Minder-Eisenbahn. Sie nimmt im Mai 1847 ihren Betrieb auf. Damit hat Franz Haniel für seine Schachtanlage eine wichtige Anbindung an einen Transportweg, der u.a.gut 50 Jahre später auch am Meidericher Hüttenbetrieb von August Thyssen, dem heutigen „Landschaftspark Duisburg-Nord“, vorbeiführen wird. Mit der Zeit werden auch die noch folgenden weiteren Schachtanlagen der Zeche „Zollverein“ an diese wichtige Eisenbahnstrecke angeschlossen werden, führt sie doch zentral gelegen durch sein Grubenfeld. Franz Haniel hat somit den Platz für seine Schachtanlage vorausschauend gewählt.

Auf die neu erworbenen Grundstücke der Bauern Bullmann und Storp läßt Franz Haniel die ersten Bauten errichten. Er lässt ein Zechenhaus und einen Malakowturm über dem geplanten Schacht erbauen. Dieser massive Förderturm mit seinen Meter dicken Aussenwänden entspricht einer gängigen Bauweise der 2.Hälfte des 19.Jahrhunderts. Ihre Namen haben diese Turmbauten aufgrund ihres festungsmäßigen Erscheinungsbildes von der russischen Festungsanlage „Fort Malakow“ bei Sewastopol, welche für Standfestigkeit, Größe und Belastbarkeit stand. Des weiteren wurde eine Dampfmaschine mit 10 PS von der Zeche „Kronprinz“ und zwei Dampfkessel errichtet. Sie sollten zur Förderung der „Berge“,also der Steinkohle und zur Wasserhaltung dienen.

In der 2.Hälfte des Jahres 1847 wurde mit dem Abteufen des Schachtes 1 begonnen. Der mit einer Seitenlänge von 6,60 m quadratische Schacht wurde, wie zu der Zeit üblich mit „Schlägel und Eisen“, also per Hand abgeteuft. Im Januar 1848 erreichte man so eine „Teufe“, gemeint ist eine Tiefe von 26 m. Aufgrund der stärker gewordenen Wasserzuflüsse im Schacht, musste das Abteufen jedoch vorübergehend eingestellt werden. Eine größere Dampfmaschine, eine Zwillingsmaschine mit 80 PS, soll Abhilfe schaffen und wird am 10.Mai 1848 aufgestellt. Diese immer wieder stärker auftretenden Wasserzuflüsse werden auch im Jahr 1849 mehrfach zu Unterbrechungen des Abteufens führen.

Aber das Jahr 1848 ist in Deutschland auch das Jahr der Revolution. Die wirtschaftliche und politische Lage ist ungewiss. Die Herrschenden aber werden bleiben, große Veränderungen bleiben aus und so kann am 2.Januar, fast ein Jahr später, mit den Abteufarbeiten fortgefahren werden. Die alte Dampfmaschine dient jetzt nur noch zur Bergeförderung. Die neue Dampfmaschine übernimmt den Betrieb der zwei Pumpen.

Ende November 1849, also fast 2 Jahre nach Beginn der Abteufarbeiten wird endlich das Steinkohleflöz in einer Tiefe von 114 m erreicht.

Auszug aus einem Briefkopf der Firma Haniel 19. Jahrhundert, Quelle: Haniel Archiv, Duisburg
Auszug aus einem Briefkopf der Firma Haniel 19. Jahrhundert, Quelle: Haniel Archiv, Duisburg

Um der Wasserhaltung gerecht zu werden, entschloss man sich, entgegen früherer Planung, doch einen 2. Schacht abzuteufen. Er lag 25 m neben Schacht 1 und bekam wie dieser im Dezember 1849 einen Malakowturm und ein Schachtgebäude. Damit erhielt die Schachtanlage mit ihren 2 Türmen und den Schachtgebäuden ihre unverkennbare Ansichtskulisse, die zeitweise auch auf Briefbögen der Firma Franz Haniel als Briefkopf zu sehen war. Im Januar 1850 beginnt das Abteufen von Schacht 2, der im Dezember 1850 das Steinkohlegebirge erreicht.

Mit dem Anschluss der Schachtanlage an die Köln-Mindener-Eisenbahn wird die Voraussetzung für die erwerbsmäßige Förderung geschaffen, mit der im März des Jahres 1851 begonnen wird. Zu dieser Zeit sind noch nicht alle Felder verliehen worden. Die Verleihung wird erst mit dem Feld „Borussia“ im Jahre 1858 abgeschlossen sein. Im Jahre 1852 wird die Schachtanlage über Tage, also im Bereich über der Erdoberfläche, um weitere Gebäude erweitert. Es werden eine Schmiede und eine Werkstatt errichtet. Auch eine Waschkaue wird errichtet, deren Erbauung fällt auch in diese Zeit, lässt sich aber nicht genau datieren. Eine Verladebrücke wird im Jahr 1854 errichtet und mit der Hängebahn des Schachtes durch eine Brücke verbunden. Das trägt zur besseren Verladung der Kohlen in die Waggons bei.

Um Ermüdung der Bergleute und Zeitverlusten bei der Ein-und Ausfahrt in bzw. aus dem Schacht entgegen zu wirken, wird Mitte des Jahres 1857 eine „Fahrkunst“ in Schacht 1 eingebaut und in Betrieb genommen. Aber wegen der zunehmenden Anzahl der Unfälle in den folgenden Jahren und auf Grund der Gewährleistung der betrieblichen Sicherheit, wird die Fahrkunst 21 Jahre später, also 1878, abgeworfen und durch eine mittlerweile genehmigte Seilfahrt ersetzt. Im Jahr 1857 werden auch die ersten drei Meileröfen in Betrieb genommen. Die ersten Kammerkoksöfen, 30 Flammöfen nach dem Smet-System, folgen 1866, da sich die Kohle gut zur Verkokung eignet, und werden 1869 um 30 weiter Öfen vergrößert.

Schacht 1/2 um 1860, Quelle: Haniel Archiv
Schacht 1/2 um 1860, Quelle: Haniel Archiv, Duisburg

Letzteres erlebt Franz Haniel nicht mehr. Er verstirbt am 24.April 1868 im Alter von 89 Jahren in seinem Ruhrorter Haus, dem ehemaligen Packhaus, wo der Aufstieg seiner Familie begann. Sein Sohn Hugo Haniel wird an seine Stelle treten.

Es ist die Zeit der Gründung des Deutschen Reiches und die Proklamation König Wilhelm I. von Preußen zum Kaiser am 18.Januar 1871, das Werk Bismarcks.

Mit den Erweiterungen unter Tage, also dem weiteren Abteufen und dem Vorantreiben der Stollen, folgen über Tage weitere Anlagen. Die 11 alten Dampfkessel werden durch neue ersetzt. Eine neue Fördermaschine ersetzt die Alte. Jetzt werden 2-bödige Förderkörbe eingesetzt, die je Boden 2 Wagen aufnehmen können. 1874 erfolgt der Neubau einer Kohlewäsche, die schon 12 Jahre später, im Jahr 1886, abgebrochen und durch eine neue Kohlenwäsche ersetzt werden wird. Sie ist in der Lage, Gas- und Fettkohle gesondert aufzubereiten.

Die Schachtanlage wird nach Bedarf und nach technischem Stand erweitert und umgebaut und so wächst sie weiter. Eine 1887 erbaute Brikettfabrik wurde allerdings nach einigen Monaten wegen Nichteignung der Gaskohle wieder stillgelegt. Zu diesem Zeitpunkt sind nicht nur die Köln-Mindener Eisenbahn und die Rheinische Eisenbahn, die den größten Teil des Versands übernehmen, an die Schachtanlage angeschlossen, sondern es gibt auch einen Anschluss der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft vom Essener Hauptbahnhof zur Zeche „Zollverein“.

Ende der 1870er Jahre wird der Beschluss gefasst, eine neue Schachtanlage für den südöstlichen Teil des Grubenfeldes zu errichten. Zum einen war die Nachfrage nach Kohle gestiegen, zum anderen traten mit der immer größeren Ausdehnung des Grubenfeldes auch technische Probleme auf. Die Wetterführung und die langen Transportwege unter Tage machten das Abteufen von Schacht 3 notwendig. Nach Anschluss der Eisenbahn von Schacht 1 zur neuen Schachtanlage konnte 1880 mit dem Abteufen von Schacht 3 begonnen werden.

1891 wird erneut eine Schachanlage bestehend aus den Schächten 4 und 5 als Doppelschachtanlage errichtet. Nach der Wirtschaftskrise hielt man zur besseren Gewinnung eine solche zusätzliche Anlage im nordöstlichen Teil des Grubenfeldes für sinnvoll. 1. Oktober 1891 wird Schacht 4 in der Nähe des Hegermannshof abgeteuft. Das Abteufen von Schacht 5 folgt am 1. Oktober 1894. Ein Abbau des südwestlichen Grubenfeldes von der Schachtanlage 1/2 aus war auf Grund seiner Lage und den damit verbundenen langen Transportwegen unter Tage nicht sinnvoll. So beschloss man, eine dritte Schachtanlage zu bauen. Schacht 6 wurde in der 2. Hälfte des Jahres 1895 1300m südlich der Schachtanlage 1/2 abgeteuft.

1897 wird auf der Schachtanlage 3 ein neuer Schacht, Schacht 7, vorerst als Wetterschacht abgeteuft werden. Im selben Jahr wird mit dem Abteufen von Schacht 8 auf der Schachtanlage 1/2 begonnen. Er dient ausschließlich der Wetterführung und wird erst 1903 in Betrieb gehen. Die Schachtanlage mit Schacht 6 erhält mit Schacht 9 im Jahre 1903 einen Wetterführungsschacht.

Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgt ein weiterer Aus-und Umbau der Schachtanlage 1/2. Im Jahr 1901 entsteht eine neue Fettkohlewäsche.Das Kesselhaus wird um 5 Kessel vergrößert. Die Kokerei erhält weitere 30 Öfen. Zur Aufnahme eines neuen Ventilators, eines Luftkompressors sowie einer Dampfturbine wird 1903 ein neues Maschinenhaus errichtet. Im Jahr 1903 wird auch für Schacht 1 ein neues Fördermaschinenhaus gebaut. Ein Jahr später, muss der Malakowturm am Schacht 1 einem eisernen Fördergerüst weichen.

Schacht 1/2 zwischen 1904 und 1920
Schacht 1/2 zwischen 1904 und 1920

Eine neue Sieberei und eine neue Verlade werden errichtet. 1904 entstehen weiterhin eine neue Gasflammkohlenwäsche und ein neues Kesselhaus mit 9 Kesseln. Die Kokerei wird 1904 um 60 Öfen mit einer Nebengewinnungsanlage erweitert. Eine neue Kokssieberei und ein neues Kesselhaus werden 1905 in Betrieb gehen. Anstelle des alten Kesselhauses entstehen 1906/07 eine neue Waschkaue und ein neues Verwaltungsgebäude. 1908 werden die alten Flammöfen aus dem Jahr 1869 durch 30 neue Koksöfen mit Nebengewinnungsanlage ersetzt. Die Schachtanlage 3/7 wird 1911 um Schacht 10 erweitert. Eine Benzolfabrik entsteht 1912.

Schacht 1/2 zwischen 1904 und 1920
Schacht 1/2 zwischen 1904 und 1920

Die Anfänge der Schachtanlage 1/2/8 liegen nunmehr über 60 Jahre zurück. Den stetigen Ausbau des Grubengebäudes, also die Anlagen unter Tage, sowie der Ausbau der Tagesanlagen, konnten auch die politischen, teilweise kriegerischen Ereignisse in der Zeit von 1864 bis 1871, die zur Gründung des Deutschen Reiches führten, nicht beeinträchtigen. Die Förderung erstklassiger Kohle aus den Gaskohleflözen verhinderte selbst in Zeiten des Nachfragerückgangs in den 1880er Jahren, als andere Zechen im Ruhrgebiet diese Veränderungen deutlich zu spüren bekamen, einen Rückgang der positiven Entwicklung . Allein die Fördermenge der Schachtanlage 1/2/8 erhöhte sich nach überschreiten der 300.000 t Grenze im Jahre 1875 auf über 600.000 t im Jahr 1899. Ein bemerkenswerter Anstieg, wenn man bedenkt, dass zu diesem Zeitpunkt auch die anderen 3 Schachtanlagen ihre eigenen Fördermengen aus dem Grubenfeld „Zollverein“ vorzuweisen hatten.

Der erste Weltkrieg bringt dagegen einen Einbruch mit sich. Die Fördermenge der Schachtanlage 1/2/8 fällt bis 1917 auf 415.767 t zurück. Der kriegsbedingte Arbeitskräftemangel und die fehlenden technischen Investitionen nach Ende des Krieges hatten eine Absenkung der Fördermengen zur Folge. Reparationsansprüche der Siegermächte auf große Teile der Kohlenfördermengen sorgten zusätzlich dazu, dass ein Mangel an Kohlen entstand. Besonders bei der Eisenindustrie war dieser Mangel deutlich zu spüren, führte zu Produktionsreduzierung oder gar zu Stilllegungen.